03. Im Kommissariat, Vulva
Punkt neun Uhr standen Matuschek und Smilla vor der Tür
von Kommissar Schmitt, Matuschek war wirklich Sonntagnachmittag von der
Polizei angerufen worden und hatte daraufhin diesen Termin mit Smilla und
dem Kommissar abgemacht.
"Herein"
Matuschek hatte noch gar nicht geklopft, wahrscheinlich
hatte Kommissar Schmitt das verharren der Schritte auf dem Dielenboden vor
seiner Tür vernommen. Sie traten ein und nach der Begrüßung,
der Personalienfeststellung und einigen zusammenfassenden Sätzen zum
momentanen Stand der Ermittlungen, holte Schmitt den Laptop.
"Könnte das der Laptop gewesen sein, den sie am Baldeney
See gesehen haben?", fragte er, Matuschek anstarrend und Smilla ignorierend.
"Das ist er definitiv, da oben, die fehlende 'scroll' Taste
ist mir sofort aufgefallen, und es sind keine Daten mehr drauf?", fragte
Matuschek ganz interessiert.
"Nein, leider nicht, unsere Spezialisten haben alles probiert
und das sind die besten Computerspezialisten Deutschlands.", achselzuckend
lehnte sich Kommissar Schmitt zurück.
Eine Idee keimte in Matuschek auf, er musste es aber sehr
geschickt anfangen, so plauderte er erstmal unverfänglich drauf los,
fragte nach Vermisstenanzeigen, nach anderen Aktivitäten, nach Telefonüberwachungen,
Personenkontrollen, usw. alles etwas hochgehängt, dann erzählte
er von dem Standbild, das er auf dem Laptop gesehen hatte, von dem noch
eingeblendeten Chat Fenster, von dem Besitzer Logo des Botanischen Instituts,
oben rechts, der Kennnummer, der Bestandsanalyse, von der im Chat die Rede
war, von der Ufervegetation, ließ ein paar botanische Fachbegriffe
einfließen, erging sich in Analysen über die Flora und Fauna
des Baldeney Sees. Nach dreißig Minuten winkte Schmitt erschöpft
ab, stand auf und streckte die rechte Hand nach vorne,
"Ja, vielen Dank erstmal, wir melden uns dann."
Matuschek drückte die dargereichte Hand sehr kräftig,
das ist so ein prähistorisches Ritual, auf das die alten Männer
stehen, nahm den Laptop und sagte, "Sie informieren uns aber bestimmt über
die weitere Entwicklung, den Laptop nehme ich dann mit zum Institut."
"Alles klar", sagte Schmitt und geleitete Matuschek und
Smilla zur Tür.
"Los, nichts wie weg", Matuschek nahm Smilla an die Hand
und rannte mit ihr und dem Laptop aus dem Präsidium.
"Spinnst du, die haben doch unsere Adressen", Smilla war
nicht nur durchs Laufen leicht errötet.
"Hast du ein paar Stunden Zeit, ich habe einen Freund hier
in Essen, Vulva, etwas merkwürdig, so Typ pickeliger Programmierer,
aber unheimlich fit was Computer angeht, danach bringe ich den Laptop zurück
und sage das der gar nicht vom Institut ist.", Matuschek hatte die Zigarette
fertig gedreht und zog Smilla mit zum Auto, "Los komm."
"Wie heißt der?",
Smilla stand dieses leichte Rot sehr gut.
"Vulva, ist aber ganz harmlos, pass auf, der findet was
auf der Festplatte.", Matuschek holte sein Handy heraus, Vulva war daheim
und zwanzig Minuten später saßen sie bei einer Tasse Café
vor Vulvas Rechner.
Matuschek hatte kurz das Problem geschildert, nach dreißig Sekunden
hatte Vulva schon begonnen, den Laptop und seinen Rechner mit diversen Kabeln
zu verbinden.
"Dreh mir mal eine!" Vulva rauchte sonst nie, nur wenn er
aufgeregt war, und so etwas machte ihm Spaß. Matuschek drehte ihm
und sich eine Zigarette und als das Hintergrundbild auf Vulvas Rechner erschien
fragte er Smilla, "Weißt du nun woher der Name kommt, die Abbildung
ist noch harmlos?"
"Äh ja", das leichte Rot stand Smilla wirklich gut.
Vulva brauchte noch eine Zigarette und zwei Tassen Café
dann fuhr der Laptop hoch, erst erschienen blinkende Ascii Code Zeichen,
dann das unvermeidliche Fenster der MS Dos, alle Ordner und alle Dateien
waren wieder da.
"Toll", sagten Smilla und Matuschek gleichzeitig.
"Kannst du irgendeine Adressdatenbank oder etwas in der
Art finden und uns den gesamten Datenbestand sichern?", Matuschek war wie
immer schwer beeindruckt von Vulvas Fähigkeiten.
"An Datenmaterial ist da nicht viel, ich brenne euch die
Dateien auf eine Cd.", Vulvas Interesse war erloschen, er hatte die Daten
erschlossen, an der Auswertung war er nicht interessiert.
"Danke, dann bring ich den Laptop gleich zurück, zu
den Spezialisten." Matuschek konnte sich einer gewissen Schadenfreude nicht
erwehren.
Smilla musste zur Uni, das lag auf dem Weg, Matuschek versprach
die Cd nach verwertbarem Material zu durchstöbern und sich dann sofort
zu melden. Kommissar Schmitt war "not amused" als Matuschek eintrat, Matuschek
murmelte etwas von Institut und Inventarliste nicht aufgeführt und
voll funktionsfähig, schaltete den Laptop ein, Kommissar Schmitt staunte
nicht schlecht und da er Matuschek am Morgen mit dem Laptop selbst herausgeleitet
hatte, schlug er vor die ganze Sache zu vergessen. Matuschek trug ihm noch
einen schönen Gruß an die Spezialisten auf und verabschiedete
sich.
Mit einem Baguette und einem Café in den Händen
fuhr er aufgeregt nach Hause um die Cd zu durchstöbern. So schnell
ging es aber nicht, erst warteten die häuslichen Pflichten, Töchterchen
von einer Freundin abholen, schnell noch einkaufen, neben den gesunden Sachen
aus dem Bioladen zum Abendbrot, Wein, zwei Flaschen Soave, und ein Päckchen
Drum, es sollte eine lange Nacht werden, auf die Matuschek sich schon freute.
Katzen füttern, Fische füttern, Krabbe füttern, Zähne
putzen, Kieferübungen kontrollieren, Bett aufschütteln, Gute Nacht
Geschichte vorlesen, die Rituale waren beendet, Jule schlief.
Matuschek nahm sein Schweizer Messer und öffnete die
erste Flasche Soave, drehte sich eine Zigarette, schaltete das Radio und
den Computer ein, legte die Cd in den Schacht und kopierte erstmal alle Ordner
und Dateien auf die Festplatte in einen neu angelegten Ordner "coalmine".
Viel war wirklich nicht zu finden, drei Datenbänke mit Pflanzenauflistungen,
jeweils deutscher und botanischer Name vom 20., 21. und 22.4.2000, Matuschek
rechnete nach, die Daten waren am Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag
aufgenommen worden. Dann gab es noch eine Datei vom 19.4. eine Auflistung
der positiven und negativen Seiten einer Beziehung, diese war wohl beendet,
da, obwohl die positiven Seiten überwogen, alles im Plusquamperfekt
abgefaßt war, wird sich Smilla aber freuen. Dann gab es noch einige
Faksimiles aus botanischen Lehrbüchern, der unvermeidliche Schmeil, Fitschen: FLORA von Deutschland und der alte
Walter, daneben drei Briefe, die aber nichts hergaben,
keine Nachnamen, keine Adressen, keine Telefonnummern, keine eMail Adressen.
Mehrere Referate, vorgelegt beim Botanischen Institut, aber keine Angaben
von wem und bei wem, hatte coalmine wohl gelöscht, aber das könnte
man herausbekommen, das Semester war angegeben.
Dann wahr da noch ein Haushaltsbuch, hatte coalmine wohl aufgespielt, nach
dem 19.4.2000 gab es aber keine Einträge mehr, sonst nichts besonderes,
immerhin war coalmine Raucher, Drum, sehr sympathisch und trank Bier. Ein
Photo mit dem Titel bad_boy erregte Matuscheks Aufmerksamkeit, der Waschsalon
und auch der Typ kamen ihm irgendwie bekannt vor. Matuschek saß jetzt
schon sechs Stunden vor dem Computer und hatte die zwei Flaschen Soave
bald geschafft, um 7:00 Uhr würde das Handy klingeln, oder vielmehr
einen elektronischen Piepston abgeben, Frühstück und Transport von
Jule zum Schulbus, zu Fuß, standen dann an, also Rechner aus und ab
ins Bett.
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